[von Josef Haltrich]
Einem Jäger war schon kurz nach der Hochzeit seine junge Frau gestorben, und darüber war er sehr betrübt. Wenn er einsam durch die Stube ging, meinte er immer, dass ihm seine liebe Frau doch begegnen müsste. Tag und Nacht hatte er sie in seinen Gedanken, und hielt es im Hause nicht mehr aus. Oft streifte der Jäger tagelang draußen im Walde umher. Er wusste wohl, dass er nicht alleine bleiben konnte, aber er fragte sich auch, ob er noch einmal eine liebe Frau finden werde.
Als er eines Tages wieder in Gedanken versunken umherstreifte, geriet er immer tiefer in den dunklen Wald hinein, wo er zu einer kleinen, strohgedeckten Hütte kam. Der Jäger trat ein und fand darin einen alten Mann, der über ein Buch gebeugt am Tische saß und las. Der Alte begrüßte ihn freundlich und fragte, was ihn hierher führe. Da klagte der Jäger ihm sein Leid. "Aus dieser Not wird dir wohl zu helfen sein", sagte der Greis. "Bald werden drei weiße Schwäne geflogen kommen und sich in der Nähe der Hütte niederlassen. Betrachte sie genau! Sie werden dann zum Weiher fliegen. Aber bevor sie ins Wasser gehen, ziehen sie ihre Federkleider aus und legen sie ans Ufer. Sobald die Schwäne draußen auf dem See schwimmen, musst du dich heimlich heranmachen und ein Schwanenkleid entwenden. Bringe es hierher zu mir!"
Kaum hatte der Alte dies gesagt, kamen drei schneeweiße Schwäne dahergerauscht, ruhten eine Weile nahe der Hütte aus und flogen dann weiter zu dem benachbarten Weiher. Als sie aber ihre Federkleider ablegten, verwandelten sie sich in drei wunderschöne Jungfrauen, stiegen ins Wasser und schwammen weit hinaus in den See. Da schlich der Jäger ans Ufer, nahm heimlich ein Kleid und brachte es dem Alten in die Hütte. Der ermahnte den Jäger, das Kleid gut zu verstecken. "Das wird das Erste sein, wenn ich nach Hause komme", erwiderte der Jäger, "und ich will es so gut verwahren, dass kein menschliches Auge es entdecken kann!"
Unterdessen waren die drei Jungfrauen wieder ans Ufer gestiegen. Sie fanden aber nur noch zwei Federgewänder. Da verwandelten sich nur noch zwei Jungfrauen in Schwäne zurück. Die Dritte aber musste wohl oder übel zum Haus des Jägers gehen, der schon auf sie wartete. Dort gefiel es ihr recht gut, und sie blieb bei ihm und wurde bald seine liebe Frau.
Nun lebte der Jäger schon viele Jahre lang froh und glücklich mit seiner Frau und den drei Kindern, die sie ihm schenkte. Eines Morgens aber, als er in den Wald ging, hatte er unbedacht den Schlüssel in einer Truhe stecken lassen. Seine Frau sah es und fand dort ihr Schwanenkleid. Da dachte sie wieder an die schöne Zeit mit den Schwestern, zog das Gefieder an und flog als Schwan davon. Als der Jäger dann am Abend heimkam, mochte er suchen und rufen, solange er wollte, sie war nirgends aufzufinden. Auch die Kinder wussten nicht, wohin die Mutter gegangen war.
Da begab sich der Jäger wieder in den Wald zu dem alten Mann und beklagte sein Leid. "Du hast das Schwanenkleid nicht gut verwahrt", sagte der Greis. "Sie hat es gefunden und ist damit fortgeflogen." "Ach, ist es denn gar nicht mehr möglich, dass ich sie wieder bekomme?", fragte der Jäger traurig. "Möglich ist es wohl", sprach der Alte, "aber nun ist es gefährlich, sie zu erlangen. Es kann dir leicht das Leben kosten!" "Was gilt mir mein Leben ohne meine liebe Frau!", rief der Jäger. "Nun gut", erwiderte der Greis, "du sollst meine Hilfe haben. - Zuerst musst du versuchen, in das Schloss zu gelangen, wo deine Frau jetzt wohnt. Sie hat ein paar Esel im Stalle, die jeden Tag zur Mühle ins Tal gehen und Mehl holen. Geh zum Müller und bitte ihn, dich in einen Mehlsack zu stecken. So kann er dich heimlich auf einen Esel laden. Bist du einmal im Schloss, so ist das Gröbste getan. Das Weitere wirst du dann von deiner Frau erfahren." Der Jäger dankte dem alten Mann von Herzen und ging zur Mühle.
Für ein gutes Trinkgeld steckte der Müller ihn gerne in einen staubigen Mehlsack. Und so gelangte der Jäger wirklich auf dem Rücken eines Esels in den Burghof hinauf. Dort stellte ein Knecht den Sack in eine Ecke, recht nahe beim Eingang zum Schlossgebäude. Als es dämmerte und im Hof Ruhe einkehrte, dachte der Jäger, er könne nun unbemerkt aus dem Sack schlüpfen. Er kroch also leise und vorsichtig daraus hervor - seiner Frau geradeswegs vor die Füße. Sie hatte den großen Sack von ihrem Fenster aus gesehen und wollte gerade nachschauen, was es damit auf sich hat. Wie freute sie sich da, als sie ihren Mann so unerwartet wiedersah! Und auch der Jäger war überglücklich, schloss sie in die Arme und küsste sie.
"Liebe Frau", bat er, "komm wieder zurück zu mir und den Kindern!" "Ich täte es gerne", sagte sie, "aber es wird nicht leicht sein. Ehe wir glücklich miteinander leben können, musst du die drei Drachen hier im Schloss besiegen. Drei Tage hintereinander werden sie dir immer wieder anders entgegentreten und dich quälen und bedrohen. Sprichst du nur ein einziges Wort, so werden sie dich umbringen! Wenn du es aber aushältst, ohne einen Laut von dir zu geben, so können sie dir nichts anhaben, und ich werde für dich frei sein." "Sei ohne Sorge, liebe Frau", sprach der Jäger voller Freude und Zuversicht, "die Liebe zu dir wird mich stark machen!"
Am ersten Tag krochen drei große Schlangen auf den Jäger zu und wanden sich um ihn, bis er sich nicht mehr rühren konnte. Sie zischten ihn mit funkelnden Augen an und drohten ihn mit ihren Giftzähnen zu beißen. Weil er sich aber nicht fürchtete und keinen Laut von sich gab, hatten die Schlangen keine Macht über ihn. Sie fielen von ihm ab und verschwanden so schnell wie sie gekommen waren.
Am nächsten Tag hüpften drei riesige Kröten auf ihn zu und bespuckten ihn mit feurigen Kugeln. Obwohl diese Qual kaum auszuhalten war, nahm der Jäger seine ganze Kraft zusammen und verbiss sich schweigend seine Schmerzen. Da mussten auch die Kröten von ihm ablassen, und machten sich davon.
Am dritten Tag aber stürzten sich drei ungeheure, geflügelte Drachen auf den Jäger und packten ihn mit ihren aufgesperrten Rachen. Da verspürte der Jäger schreckliche Angst, und meinte, es laut hinausschreien zu müssen. Doch aus Liebe zu seiner Frau ertrug er es. Und als diese dritte Probe vorbei war, standen plötzlich nicht mehr Drachen sondern die drei Schwanenjungfrauen vor ihm. Er hatte sie alle miteinander von ihrer Verwünschung befreit. Nun war der Jäger froh, dass er seine Frau wieder hatte, und auch sie war glücklich und weinte vor Freude, als sie ihre lieben Kinder wiedersah. Die ganze Familie blieb nun auf dem Schloss, und sie behielten auch die beiden Schwestern bei sich und lebten in Frieden und Freude bis an ihr Ende.